Charisma und Alltag

Folgender Zeitungsartikel von Swantje Karich liest sich wie eine spätspäte Rezension zur Ausstellung:

“Porzner – Charisma und Alltag“ in der Getränkegalerie Walter Fischer vom 27.11.1991 bis 14.12.1991

Unbearbeiteter Scan der ersten und zweiten Seite der 8-seitigen Klappkarte „Charisma und Alltag“


 

Ausgestellt war allerdings nicht das Fahrradrad-Rad Marcel Duchamps, sondern sein Flaschentrockner. Siehe hierzu die Biographie zu Hans-Peter Porzner http://bit.ly/aIZUZj 
 
swka, Entzaubert. In: FAZ, Feuilleton, Donnerstag, 1. April 2010, S. 31.

Wie viel Kunst würde bleiben, wenn Marcel Duchamps Fahrrad-Rad in einem Fahrradladen ausgestellt würde? Es wäre den Versuch wert. Duchamps Revolutionswerk jedenfalls ist zuzutrauen, dass es seine Spannung halten würde, dass die leichte Veränderung des Readymade auch am Ursprungsort für eine kräftige künstlerische Aussage reichte. Dieses Vertrauen in seine eigene Arbeit hatte bislang sicherlich auch Damien Hirst, doch nun könnte ihn eine in seinen Kategorien eigentlich unspektakuläre Schau aus der Ruhe bringen, wenn er bei der Eröffnung aufmerksam hingesehen hat. Eine Auswahl seiner Installationen mischt sich im Musée Océanographique in Monaco unter die naturkundlichen Exponate des renovierten Traditionshauses, das vor hundert Jahren von Prinz Albert I. gegründet wurde. Das Museum steckt in einem Dilemma: Seine Lage ist traumhaft schön, doch die lebendigen und die konservierten Tiere will niemand mehr sehen. Stolze 400 000 Besucher mehr soll Hirst anziehen. Doch Haie gibt es hier schon, sie schwimmen hinter den Scheiben noch ganz lebendig hin und her und meistens auch in sehr kleinen Kreisen. Solche Platzprobleme kennt der Hirst-Hai „Fear of Flying“ nicht mehr. Das Formaldehyd hält ihn in Form und auf der Stele fest. Doch wie die Chamäleon-Rochen in schubladengroßen Aquarien erlebt die abgestellte Hirst-Kunst eine Anpassung, die den künstlerischen Fisch mehr als unfrisch wirken lässt. Die Entzauberung wird offenbar. Der Hai ist wieder ein Hai, kein Memento-mori-Bonus ist weit und breit zu erkennen. Die Entscheidung für Hirst als Museumsretter entpuppt sich als Desaster. Die zeitgenössische Kunst sollte es richten und hat sich nun nur selbst entlarvt. Der Hai hat sich viele Jahre als Kunst ausgegeben, als prächtig verpacktes Readymade aus dem Ozean, und ist nun doch nur noch ein Präparat wie seine Artgenossen in den kleinen Gläsern wenige Meter entfernt. Hirst kann das nicht übersehen haben, trotz der Sonnenbrille, die er aufsetzte, als er den Saal betrat und sich einen kurzen Moment vor seinem „Fear for Flying“-Hai den Fotografen stellte. Auch die vier Pillenregale aus Gold, die wohl Monacos Piratenbucht persiflieren sollten, erleben ein ähnliches Schicksal wie die Tiere. Das bedeutendste Kunstwerk zeigte sich da erst beim Blick aus dem Fenster, wo sich eine klare, unendliche Himmelsweite auftat. Der Maler Yves Klein signierte diese Blau imaginär wenige Kilometer entfernt im Jahr 1947 und erklärte es zum Gemälde. Es funktioniert in jedem Zusammenhang tadellos. swka

Der Flaschentrockner befindet sich  heute in Wien in Privatbesitz.

Vgl. hierzu weiterhin: Hans-Joachim Müller, Bilder rascheln nicht. Unter Freunden: Hubert Burda diskutiert mit Peter Sloterdijk und Bazon Brock über den „Icon turn“. In: Die Welt, Feuilleton, Donnerstag, 11. November 2010, S. 25.

„… vom Weltbild zur Bilderwelt.“

Das hat Dieter Henrich aber bereits schon vor zwanzig Jahren behauptet. Frage an Hubert Burda, Bazon Brock, Peter Sloterdijk, Friedrich Kittler, Horst Bredekamp, Wolfgang Ullrich, Hans Belting: Und jetzt? — Zurück zu Marcel Duchamp. Oder: Zurück zu Kant. Man könnte auch sagen: Eduard Beaucamp kritisiert, was er selbst betreibt. Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Oder: Katrin Blawat: Schnappschuss des Lebens. Erste Ergebnisse der Meeresinventur: 185 000 Arten gezählt. In: SZ, Wissen, Mittwoch, 4. August 2010, S.16; Viel mehr Leben im Meer In. FAZ, Dienstag, 5. Oktober 2010. Inventuren – Früher mussten Fabelwesen wie die Meerjungfrauen erfunden werden, weil dem Menschen die Natur nicht reich genug war. Doch der Reichtum der Natur übersteigt jede Phantasie. Bei der Inventur der Meeresfauna kamen jetzt zwanzig unbekannte Lebewesen zum Vorschein – darunter allein fünftausend Fischarten. Von einer fabelhaften artenfülle sprechen deshalb die Forscher in ihrer Studie, die auf Seite 9 vorgestellt wird. Das Bild zeigt Marilyn Monroe am Strand von Malibu im Einsatz für die Vielfalt der Fabelwesen. Was eine Inventur in ihrem Fall alles ergab, steht auf Seite 29. Foto Intertopics

Über Hans-Peter Porzner

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